Nachhaltige Mobilität – Mehr als nur Elektroautos

Der Vortrag von Verkehrsminister Winfried Hermann zu Nachhaltiger Mobilität war gut besucht.

Die Landesregierung hat sich nicht weniger vorgenommen, als Baden-Württemberg zur Pionierregion für nachhaltige Mobilität zu machen.

Das Elektroauto wird unsere Verkehrsprobleme nicht lösen. Denn auch das Elektroauto steht am Ende des Tages im Stau. Daher ist die Elektromobilität nur ein Baustein auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Mobilität. Was es für eine nachhaltige Mobilität noch braucht präsentierte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann bei seinem Vortrag in der Mäulesmühle. Etwa 100 Gäste kamen zu dieser besonderen Veranstaltung. Verkehsminister Winfried Hermann reiste natürlich standesgemäß im Elektroauto an. Sein Dienstwagen innhalb der Region ist auch im Alltag neben dem Fahrrad eine Mercedes B-Klasse Electric Drive.

Das wir den Verkehrsminister begrüßen durften ist keineswegs selbstverständlich. „Eigentlich kommt der Verkehrsminister nicht zu Stammtischen“, sagte Winfried Hermann zur Einleitung, aber Electrify-BW sei schon längst mehr als ein Stammtisch. Dass er uns dann auch nichts mehr über die Vorzüge der Elektromobilität erzählen brauchte, war ihm klar. So machte das Thema nur einen kleinen Teil seines Vortrags aus. Das Land sieht denn in der Elektromobilität auch nur einen von vielen Bausteinen für die Verkehrswende. Und das die Landesregierung hier einen Masterplan hat, wurde dann schnell während des Vortrags klar. Dabei verzichtete Winfried Hermann aber darauf die Veranstaltung für den Vorwahlkampf für die Landtagswahl im kommenden März zu benutzen. Viel mehr gab er einen nüchternen aber keineswegs langweiligen Überblick über seine Arbeit.

Fünf „V“ für eine nachhaltigere Mobilität

Gerade Ballungszentren wie Stuttgart leiden unter einem sehr hohen Anteil an motorisiertem Individualverkehr. Aber statt die Menschen mit Verboten zu erziehen setzt Hermann auf die fünf V: verbessern, verlagern, vermeiden, vernetzen und Vorbildfunktion. Dass es noch viel Potential zur Verbesserung gibt, zeigt die Verteilung des Verkehrs auf die verschiedenen Verkehrsträger, dem sogenannten Modal Split. Mit knapp 50 Prozent liegt das Auto in der Region Stuttgart auf Platz eins der Verkehrsträger. Nur 15 Prozent der Wege legen die Menschen in der Region mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück, 22 Prozent der Wege bestreiten sie zu Fuß und nur sieben Prozent mit dem Fahrrad. Die Werte waren über eine sehr lange Zeit stabil. Die Verkehrspolitik habe bisher lediglich den Status Quo verwaltet, ohne dabei zu gestalten, so der Minister.

Andere Städte die diese Aufgaben schon früher angegangen seien, wären da logischerweise schon weiter. Baden-Württemberg hat sich ebenfalls hohe Ziele gesteckt und auch schon einiges erreicht. So konnte die Landesregierung zum Beispiel einen jahrelangen Streit in der Region Stuttgart über die Zuständigkeiten im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) lösen und den ÖPNV-Pakt für Stuttgart schmieden. Auch beim Schienennahverkehr (SPNV) sollen die Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppelt werden.

Jedes fünfte Elektroauto fährt in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg liegt heute schon in Sachen Elektromobilität auf Platz eins. Zumindest was die zugelassenen Fahrzeuge betrifft. So ist jedes fünfte Elektroauto in Deutschland in Baden-Württemberg zugelassen. Auch die Infrastruktur ist stellenweise im Vergleich zu anderen Bundesländern schon relativ gut ausgebaut. Das soll aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. Besonders freuen dürfte die Ankündigung von Multicharger-Schnellladesäulen entlang wichtiger Verkehrsachsen. Leider nannte der Minister hier nichts genaueres.

Dass es so viele Elektroautos in Baden-Württemberg gibt, dürfte sicher auch an den etwa 500 elektrischen Smarts des Carsharers Car2go in Stuttgart liegen. Auch wenn man manchmal von an Ladesäulen parkenden Car2gos genervt ist, tragen sie doch ihren Teil bei. Zum einen machen die Smarts für viele Elektromobilität erfahrbar, zum anderen unterstützen sie den Trend weg vom Besitzen und hin zum Nutzen. Nur ein Beispiel für die Verlagerung von Verkehren.

Ein Beispiel für das Vermeiden von Verkehren ist die bessere Flächennutzung, etwa durch die Verknüpfung von Wohn- und Arbeitswelt in gemischteren Quartieren.

Verkehr 4.0

Aber auch der konventionelle Verkehr steht auf der Agenda des Ministers. Hier sei noch viel Luft nach oben, um die Verkehrsflüsse zu optimieren und dadurch Staus zu vermeiden. Etwa durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen, wie auf der A8, der Nutzung und Informations- und Kommunikations-Technologien, eine temporäre Seitenstreifenfreigabe und Geschwindigkeitsregulierung. Leuchten über der Autobahn plötzlich Tempolimits von 120, 100, 80 oder gar 60 Stundenkilometer auf, ist dies mitnichten eine Gängelung der Autofahrer. Diese Anzeigen reagieren nach Verkehrsbelastung. Bei dichterem Verkehr wird das Tempolimit herabgesetzt, um etwa Verbremsungen und damit Stauungen zu vermeiden. Intelligente Autobahnschilder können im Staufall nachfolgenden Verkehr abbremsen, um zu verhindern, dass der Stau noch länger wird oder alternative Strecken anzeigen.

Beim Vernetzen geht es darum die einzelnen Verkehrsträger besser auf einander abzustimmen. Tarife, Takte und Anschlüsse anzupassen und die Menschen über den bestmöglichen Anschluss zu informieren. Hier heißt das Stichwort dynamische Fahrgastinformation.

Letztlich will das Land als gutes Beispiel voraus gehen. So hat die Landesverwaltung fast 350 Pedelecs angeschafft, die für die Dienstwege der Landesbediensteten zur Verfügung stehen. Die Zahl der Elektrofahrzeuge hat sich seit 2012 auf bis jetzt 63 versechsfacht. Künftig sollen noch mehr Dienstfahrzeuge durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Mitarbeiter der Landesverwaltung haben die Möglichkeit am Arbeitsplatz ihr Elektrofahrzeug aufzuladen. Selbst der Ministerpräsident fahre inzwischen einen Plug-In-Hybrid.

Was bleibt ist der Eindruck von einem engagierten Minister, der mitnichten nur ans Fahrrad denkt. Winfried Hermann war sehr gut vorbreitet und konnte viele Fragen aus dem Stehgreif beantworten. Viele Zuhörerinnen und Zuhörer fanden dann auch, der Minister habe seine Sache hier sehr gut gemacht. Letztlich wird er sich aber wie alle Politiker an seinen Erfolgen messen lassen müssen. An Engagement und Zielen fehlt es der Landesregierung jedenfalls nicht. Electrify-BW bleibt auf jeden Fall weiter mit dem Minister im Gespräch.

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