Vergangene Woche hat das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich entschieden, dass die Kommunen Fahrverbote verhängen dürfen. Doch bis tatsächlich die ersten Euro 4/IV und Euro 5/V Diesel aus den Innenstädten verbannt werden, wird es noch ein bisschen dauern. Das Gericht hat zwar den Kommunen grundsätzlich erlaubt Einfahrtsbeschränkungen verhängen zu dürfen, hat aber gleichzeitig auch die Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen angemahnt.
Zu dieser Verhältnismäßigkeit gehört auch, dass vor dem 1. September 2019 keine Einfahrtsbeschränkungen für Euro 5/V Diesel verhängt werden dürfen. Alleine Euro 4/IV dürften die Kommunen ab sofort die Einfahrt verweigern. Laut Bundesverwaltungsgericht würden stichprobenartige Kontrollen ausreichen, um das Verbot zu kontrollieren. Einen Auftrag an den Bund, eine bundeseinheitliche Regelung, etwa in der von Baden-Württemberg und vielen Verbänden favorisierten Blauen Plakette https://www.baden-wuerttemberg.de/de/bw-gestalten/nachhaltiges-baden-wuerttemberg/verkehr/faq-blaue-plakette/, zu schaffen hat das Gericht nicht gegeben.
Verbot ohne Kontrolle
Sollten also Fahrverbote kommen, wären Sie ohnehin nicht zu kontrollieren. Es sein denn, was verhindern möge, jede Kommune ihre eigene Plakette schafft. Zur Verhältnismäßigkeit gehören auch, dass es zahlreiche Ausnahmen geben muss. Zum einen hat etwa Stuttgart in seinem Luftreinhalteplan hier schon eine ganze Reihe von Ausnahmen für Handwerk, Handel und Logistik geschaffen, zum anderen finden sich auch zahlreiche Ausnahmen im der 35. Bundesimissionsschutzverordnung (BImSchV). https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/luftreinhalteplaene-muessen-ueberarbeitet-werden/
Für die abgasgeplagten Anwohnerinnen und Anwohner in den betroffenen Städten könnte sich das Urteil also als Pyrrhussieg herausstellen. Trotzdem wird das Urteil sicher dafür sorgen, dass der Absatz von Diesel-Pkw weiter sinken wird und sich vielleicht mehr Menschen früher für ein Elektroauto https://electrify-bw.de/das-elektroauto-quartett-ist-da/ oder zumindest einen Plug-In-Hybrid entscheiden.
Kommt die Zombieapokalypse? Diesen Monat war Levin Ratajczak von NetzeBW in der Mäulsemühle zu Gast und hat über die Herausforderungen gesprochen, die die Elektromobilität für unsere Stromnetze darstellt. Jana berichtet vom Vortrag und nimmt von vornhinein die Panik aus der Diskussion. Denn die Praktiker bei NetzeBW sehen die ganze Sache deutlich entspannter als so mancher Wissenschaftler in seinem Labor.
Allein die Niederspannungsnetze – also von der Trafostation in die Häuser – bereiten den Netzbetreibern Bauchschmerzen. Bei NetzeBW weiß man aber damit umzugehen und hat auch schon die richtige Medizin bereitliegen. Herr Ratajczak erklärte auch, warum die Wissenschaft immer wieder Horrorszenarien aufzeigt. Das ist keineswegs böser Wille, sondern liegt an den Prämissen, mit denen die Wissenschaft derzeit an die Berechnung solcher Modelle herangehen muss.
Das A und O für die Netzbetreiber ist aber zu wissen, wo eine Ladestation installiert ist. Das gilt vor allem für private Ladestationen. Ladestationen mit einer Leistung von 4,6 bis 11 Kilowatt sind daher meldepflichtig. Ab 12 Kilowatt muss der Netzbetreiber die Station zudem genehmigen. Derzeit würde aber alles genehmigt. Und wenn, würde sich die Genehmigung nur so lange verzögern, bis der Netzbetreiber geeignete Maßnahmen getroffen hat, das lokale Netz zu verstärken. Bis dahin darf man dann nur mit maximal 11 Kilowatt laden.
Wer also der Elektromobilität keinen Bärendienst erweisen möchte und nicht will, dass eines Tages wirklich die Lichter in der Straße ausgehen, sollte – sofern noch nicht geschehen – seine Ladestation unmittelbar seinem Netzbetreiber melden. Ansonsten, so das Fazit von Jana zu Herrn Ratajczaks Vortrag, sollte man endlich aufhören über Probleme zu reden und endlich mal Lösungen propagieren und angehen. Dabei sollte man aber auch die Innovation nicht unterschätzen und versuchen mit Netztechnologie aus den 1950er Jahren, Probleme des 21. Jahrhunderts zu lösen. Also die Zombieapokalypse fällt hier erstmal bis auf weiteres aus.
NetzeBW: Informationen und Meldeunterlagen Elektromobilität https://www.netze-bw.de/hausanschluss/elektromobilit%C3%A4t Wer ist mein Netzbetreiber? https://www.energieverbraucherportal.de/strom/netzbetreiber
Jo, GroKo!
Bei der Aufzeichnung der Sendung am vergangenen Donnerstag war noch nicht klar, wie sich die SPD-Basis in Sachen Große Koalition entscheiden wird. Inzwischen wissen wir, dass knapp zwei Drittel der gültigen Stimmen sich für die Große Koalition entschieden haben. Wenn also nichts mehr dazwischenkommt, haben wir bald wieder eine richtige Regierung, die die Amtsgeschäfte nicht nur Geschäftsführend führt.
Für die individuelle Wahlentscheidung und die Beurteilung eines Koalitionsvertrages gibt es sicher mehr Kriterien als nur der Umgang mit der Mobilitätswende. Da wir aber einen Podcast zu eben diesem Thema machen, haben Jana und Jérôme einen Blick auf das Thema Elektromobilität im Koalitionsvertrag geworfen. Insgesamt findet sich das Wort „Elektromobilität“ zehn Mal auf den 179 Seiten des Vertrags.
Schön zu lesen ist, dass sich die neue Bundesregierung bewusst ist, dass es auch in Europa eine Zellfertigung braucht und man sich nicht langfristig in die Abhängigkeit von Asien und Amerika begeben darf. Schließlich wohnt der Batterie derzeit noch mit die größte Wertschöpfung bei einem Elektroauto inne. Es wäre auch unklug, in Europa erlangtes Know-how in chinesischen Fabriken zusammenbauen zu lassen.
„Wir wollen die Industrie dabei unterstützen, die gesamte Wertschöpfungskette der Elektromobilität in Deutschland und Europa vorzuhalten. Die Ansiedlung einer Batteriezellfertigung ist für Deutschland und Europa ein wichtiges wirtschafts- und industriepolitisches Handlungsfeld.“ Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, S. 57.
Wasserstoff bleibt für die Bundesregierung eine Option
Die große Koalition wird auch in den kommenden Jahren weiter auf Technologieoffenheit und dabei neben der reinen Elektromobilität vor allem auf Wasserstoff und Power-to-Gas setzen.
„Wir wollen das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie fortführen. Wir wollen die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie (MKS) technologieoffen weiterentwickeln und die Mittel zu deren Umsetzung erhöhen. Wir wollen die Sektorenkopplung voranbringen und den regulativen Rahmen ändern, so dass „grüner Wasserstoff“ und Wasserstoff als Produkt aus industriellen Prozessen als Kraftstoff für die Herstellung konventioneller Kraftstoffe (z. B. Erdgas) genutzt werden kann. Wir wollen die TMG Quote weiterentwickeln, um die Produktion von Biokraftstoffen abfall- und reststoffbasiert sowie auf Pflanzenbasis zu unterstützen.“ Ebd. S. 76f.
Gute Nachrichten gibt es für dienstlich genutzte Elektroautos. Hier sinkt die pauschale Dienstwagenbesteuerung von einem auf ein halbes Prozent. Dass dies auch für Hybride gelten soll, ist sicher dem aktuellen Programm deutscher Autobauer geschuldet. Das zu einer Zeit, in der andere Länder Förderungen für Hybride massiv zurückfahren oder ganz streichen. Ist der Nutzen der Technologie doch zumindest umstritten.
„Bei der pauschalen Dienstwagenbesteuerung werden wir für E-Fahrzeuge (Elektro- und Hybridfahrzeuge) einen reduzierten Satz von 0,5 Prozent des inländischen Listenpreises einführen.“ Ebd., S. 77.
Förderung privater Ladestationen
Für Lisa Müller und Otto Normal dürfte die Ankündigung eines massiven Ladeinfrastruktur-Ausbaus und einer Förderung für private Ladestationen wohl die spannendste Nachricht aus dem Koalitionsvertrag sein. Zudem soll endlich die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, damit Mieter und Wohneigentümer Ladestationen an ihren Stellplätzen errichten dürfen.
„Wir wollen die Elektromobilität (batterieelektrisch, Wasserstoff und Brennstoffzelle) in Deutschland deutlich voranbringen und die bestehende Förderkulisse, wo erforderlich, über das Jahr 2020 hinaus aufstocken und ergänzen. Wir wollen den Aufbau einer flächendeckenden Lade- und Tankinfrastruktur intensivieren. Ziel ist, bis 2020 mindestens 100 000 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zusätzlich verfügbar zu machen – wovon mindestens ein Drittel Schnellladesäulen (DC) sein sollen. Zudem wollen wir die Errichtung von privaten Ladesäulen fördern. Für eine nachhaltige Umstellung der Busflotten auf alternative Antriebe sind neben den Fahrzeugen auch eine geeignete Ladeinfrastruktur sowie Betriebsmanagementsysteme erforderlich. Den Einbau von Ladestellen für Elektrofahrzeuge von Mieterinnen und Mietern sowie Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümern werden wir rechtlich erleichtern. Außerdem werden wir die gesetzlichen Bedingungen für benutzerfreundliche Bezahlsysteme verbessern.“ Ebd., S. 77f.
Die Handwerker, die ob des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts schon das Ende des Abendlandes eingeläutet haben – obwohl es für sie wohl großzügige Ausnahmen geben dürfte –, können sich über eine Sonder-Afa für gewerbliche genutzte Elektrofahrzeuge freuen.
Gewerbeverkehr elektrisieren „Für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge führen wir eine auf fünf Jahre befristete Sonder‑AfA (Abschreibung für Abnutzung) von 50 Prozent im Jahr der Anschaffung ein. Wir wollen zudem die Förderung für die Umrüstung und Anschaffung von E‑Taxen, E‑Bussen, E‑Nutzfahrzeugen und Carsharing verstetigen.“ Ebd. S. 78.
Die „Nationale Plattform Elektromobilität“ soll mit einem neuen Kleid wieder auferstehen. Das dürfte aber ob der Aktivitäten des Bundesverbands Elektromobilität (BEM) http://www.bem-ev.de/ wohl obsolet sein. http://www.cleanelectric.de/kurt-zum-sonntag/ „Wir wollen die bestehende „Nationale Plattform Elektromobilität“ zu einer Plattform „Zukunft der Mobilität“ umgestalten, die sich mit der Weiterentwicklung der Automobilindustrie beschäftigt. Die Ansiedlung einer Batteriezellfertigung ist für Deutschland und Europa ein wichtiges wirtschafts- und industriepolitisches Handlungsfeld. Wir wollen die Industrie dabei unterstützen, die gesamte Wertschöpfungskette der Elektromobilität in Deutschland und Europa vorzuhalten.“
Es findest sich also einiges im Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und CSU, was das Elektromobilisten-Herz erfreut. Nichtsdestotrotz ist es erstmal nur eine Absichtserklärung. Wir müssen also der Bundesregierung in den kommenden Jahren auf die Finger schauen und an ihren Taten messen.
Elektromobilisten aller Länder vereinigt euch!
Es ist also höchste Zeit, dass sich jemand im Bund für die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher mit Elektrofahrzeugen stark macht. Jana gibt im Podcast einen Einblick in aktuelle Überlegungen von Electrify-BW e.V. und andere wie ein solcher Verband aussehen könnte und wo derzeit noch die Hürden und Stolpersteine sind. So sammelt der Verein gerade Kontakte zu allen Vereinen, Initiativen, Clubs, Stammtische in Deutschland. Das Ziel ist ins Gespräch zu kommen und am Ende eine Dachorganisation zu haben, die auch im Bund für die Interessen der Elektromobilisten eintreten kann. Sie erklärt dabei auch, warum der BEM diese Aufgabe nicht übernehmen kann und will.