Themen unter anderem: Tesla, die schwedische Studie, Peugeot, Janas VW und die Veranstaltung am 9.9. in Horb (Anmeldung unter: proemobil@gmx.de)
Der Rucksack eines Elektroautos
Eine Studie aus Schweden hat vergangene Woche für Aufsehen gesorgt. Wir haben mal genau hingeschaut. Die SHZ-Gruppe hat vergangene Woche über eine Studie aus Schweden berichtet, die angeblich belegt, dass Elektroautos pure CO2-Schleudern seien. Focus Online hat darauf ebenfalls über die Studie berichtet. Leider haben wohl weder die SHZ noch Focus Online die Studie gelesen. Entsprechend großer Unsinn steht in den jeweiligen Artikeln. Umso mehr Menschen fühlen sich in ihren Vorurteilen gegenüber Elektroautos bestätigt.
Um diesen Nonsens nicht noch weiter zu verbreiten, verlinken wir die Artikel hier nicht. Die Artikel behaupten, dass die Batterie eines Tesla Model S 17,5 Tonnen CO2 bei der Produktion erzeuge. Bis ein Verbrenner so viel CO2 produziert, so die Studie, brauche es acht Jahre, behauptet der Artikel.
Keine eigene Datenerhebung
Wir haben die Studie komplett gelesen und fanden keinerlei derartige Behauptung. Aber worum geht es in der Studie überhaupt? „The Life Cycle Energy Consumption and Greenhous Gas Emissions from Lithium-Ion Batteries“(Der Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen von Lithium-Ionen Batterien über ihren Lebenszyklus) von Mia Romare und Lisbeth Dahllöf vom IVL Swedish Environmental Research Institute ist eine Metastudie. Die Autorinnen haben keine eigenen Daten erhoben, sondern existierende Studien zu dem Thema ausgewertet und die Ergebnisse zusammengefasst und eingeordnet.
In Auftrag gegeben haben die Studie die staatliche Schwedische Energieagentur und das schwedische Zentralamt für Verkehrswesen. Die Behörden wollten wissenschaftlich fundierte Daten, um Empfehlungen für eine CO2-Neutrale Fahrzeugflotte erarbeiten zu können.
Und genau das macht die Studie. Sie wertet insgesamt vier Studien zu dem Thema aus. Auffällig ist, dass die Zahlen zu den Gesamtemissionen zwischen den Studien stark variieren. Auch wird nicht aus allen Studien deutlich, welche Teile der Produktionskette sie betrachtet haben. Da die Datenlage zum Thema Batterieproduktion dünn und uneindeutig ist, gibt es viele Unsicherheiten in den Studien. Das überträgt sich auch auf die Metastudie vom IVL.
Hoher Anteil an fossilen Energien
Die Autorinnen gehen nach der Analyse der Studien mit großer Sicherheit davon aus, dass der meiste Energieverbrauch und damit CO2-Ausstoß bei der Herstellung der Zellen und dem Zusammenbau der Batteriepacks entsteht. Der kleinere Teil bei der Gewinnung und Veredelung der Rohstoffe. Die meisten Lebenszyklus-Analysen, so Romare und Dahllöf, gehen davon aus, dass der Anteil an fossilen Energien bei 50 bis 70 Prozent liegt. Dabei braucht es zur Batterieherstellung vor allem elektrische Energie. Wie groß aber die Spanne der CO2-Äquivalente – also der Menge CO2 pro produzierter Kilowattstunde (kWh) elektrischer Energie – zeigt die IVL-Studie. So sind es in Schweden gerade mal 50 Gramm pro Kilowattstunde. In Brasilien sind es 300, in China 1.000 und in Indien sogar 1.400 Gramm.
Wie groß der CO2-Rucksack einer Batterie ist, hängt also damit zusammen, in welchem Land sie gefertigt wird, und woher der Strom für die Fabrik kommt. Durch den Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Zellen- und Batterieproduktion ließe sich also ein bedeutender Teil der CO2-Emissionen einsparen. Die Gigafactory von Panasonic und Tesla im amerikanischen Bundesstaat Nevada soll auch daher im Endausbau komplett mit erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind, Geothermie und Pufferbatterien versorgt werden.
Recycling muss besser werden
Auch im Recycling liegt noch großes Potential, um den CO2-Rucksack einer Batterie deutlich zu senken. So zitieren die Autorinnen eine Studie aus dem Jahr 2014, die die 26,6 kWh-Batterie eines Nissan Leaf untersucht. Aus der Tabelle mit den „Batteriezutaten“ wird deutlich, dass der Einsatz von recycelten Materialen die CO2-Äquivalente deutlich senken kann. Bei Aluminium von sechs auf 0,5 Kilogramm pro kWh-Batteriekapazität, bei Kupfer von drei bis sechs auch ein bis drei Kilogramm. Das Batterierecycling hat dabei aber durchaus noch Verbesserungspotential. Zum einen müssen mehr Batterien ins Recycling gelangen, zum anderen braucht es bessere Verfahren zur Trennung der Rohstoffe. Auch müssten administrative Anreize geschaffen werden, so die IVL-Studie, auch Materialen zu recyceln bei denen es sich derzeit noch nicht wirtschaftlich lohnt.
Ein weiteres Problem, dass aber wohl eher Zellen aus der Unterhaltungselektronik betrifft, ist eine mangelnde Kennzeichnung der Batterien. Für den Recyclingprozess ist es wichtig, zu wissen, welche Zellchemie sich in der Batterie befindet. Bei Zellen aus Serienfahrzeugen ist die Zellchemie jedoch bekannt.
Keine zu recycelnde Batterie, nirgends
Bei Zellen aus Autos besteht das Problem eher in der Verfügbarkeit der zu recycelnden Batterien. Elektroautos der neuen Generation mit Lithium-Ionen Akkus gibt es erst seit wenigen Jahren in der Serienproduktion. Die Stückzahlen steigen nur langsam an. So dass kaum eine Traktionsbatterie heute ihr natürliches Lebensende erreicht hat. Neben wenigen tatsächlich defekten Autobatterien, erreichen lediglich Batterien aus Testfahrzeugen und Totalverlusten das vorzeitige Lebensende. Ein weiteres Problem beim Batterierecycling ist, dass die Rohstoffe nicht alle wieder für den Bau neuer Batterien eingesetzt werden können. Da die wiedergewonnenen Rohstoffe nicht mehr der hohen Qualitätsanforderung entsprechen. Es braucht also auch ein speziell auf die Batteriepacks aus Autos zugeschnittenes Recycling. Tesla und Panasonic wollen solche Prozesse in ihrer amerikanischen Gigafactory aufsetzen und so auch den Einsatz von Rohstoffen bei der Batteriefertigung deutlich senken.
Auch andere Hersteller wie Renault-Nissan forschen in der Thematik und setzen entsprechende Recyclingprozesse auf. Spricht man mit Verantwortlichen bei den Herstellern, hört man jedoch unisono die Aussage, dass die Batterien einfach nicht kaputt gehen.
Trotzdem ziehen die Autorinnen für das Recycling von Batterien einen Teil der CO2-Äquivalente als Einsparung wieder ab, zeigen aber auch auf, dass hier noch mehr möglich ist. Zudem habe das Recycling für die Verfügbarkeit von Rohstoffen wie Lithium, Kobalt und Nickel eine große Bedeutung. Ohne wird es nach Meinung von Romare und Dahllöf nicht gehen.
Wer heute also in die Recycling-Forschung investiert und wirtschaftliche Verfahren entwickeln kann hat in wenigen Jahren die Lizenz zum Geld drucken.
Die hebt noch!!!
Die Autorinnen widmen auch dem Second-Life – also der Weiterverwendung der Batterien, nach ihrem Leben im Auto – ein Kapitel. Sie konnten aber keine industrielle Anwendung für diese Batterien ausfindig machen. Auch hier spielt die mangelnde Verfügbarkeit ausrangierter Fahrzeugbatterien eine entscheidende Rolle. Daher fallen alle berechneten CO2-Äquivalente auf das Auto und es gab keine Abzüge für ein mögliches zweites Leben der Batterie.
Das es aber wirtschaftlich und ökologisch wenig sinnvoll ist, eine Batterie mit 70 bis 80 Prozent Restkapazität zu schreddern und zu verbrennen, haben auch die meisten Fahrzeughersteller erkannt. Renault-Nissan und BMW etwa arbeiten konkret an Einsatzszenarios für ein zweites Batterieleben. Dabei geht es vor allem um Großspeicher für erneuerbare Energien oder als Pufferbatterien für Schnellladestationen. Dabei braucht es zuverlässige Verfahren, um die Leistung und Sicherheit der gebrauchten Zellen einschätzen zu können.
Kein klarer Konsens über Umweltauswirkungen
„Es gibt viel Potential die Umweltauswirkungen bei der Batterieproduktion zu senken. Zum einen durch bessere Produktionsmethoden, zum anderen durch bessere Behandlung der Batterien am Ende ihres Lebenszyklus. […] Diese Studie hat gezeigt, dass es keinen klaren Konsens über die Umweltauswirkungen in der gegenwärtigen Batterieproduktion gibt“, schreiben die Autorinnen in der Diskussion ihrer Ergebnisse. Es gäbe aber klare Hinweise darauf, dass der Großteil der Umweltauswirkungen aus der eigentlichen Zell- und Batterieproduktion stamme, gefolgt von der Verarbeitung der Rohstoffe.
Die Autorinnen kommen zu dem Schluss, dass derzeit etwa 150 bis 200 Kilogramm CO2 für eine Kilowattstunde Batteriekapazität anfallen. Bei einer 90 kWh-Batterie, wie in einem Tesla wären das im schlimmsten Fall tatsächlich 18 Tonnen. Die Aussage, eine Teslabatterie hat einen CO2-Rucksack von 18 Tonnen, kann durch die Studie aber nicht gestützt werden. Dafür sind die Daten der untersuchten Studien zu unscharf. Auch die Aussage, dass ein Verbrenner acht Jahre brauche, bis er so viel CO2 produziert steht, nicht in der Studie und ist so nicht zu halten. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Denn auch durch die Produktion eines thermischen Antriebsstrangs entstehen CO2-Äquivalente. Benzin und Diesel fallen nicht von Himmel. Bei der Förderung, Veredelung und dem Transport entsteht ebenso CO2, wie letztlich bei der Verbrennung im Auto – die wie wir wissen, deutlich über den Werksangaben liegen.
Die Studie zeigt, dass sich im Lebenszyklus der Batterie durch mehr erneuerbare Energien bei der Produktion, Second-Life und besseres Recycling beträchtliche Mengen CO2 einsparen lassen.