BMW i3: geliebt, gehasst, geschasst

Nach knapp einer Dekade ist Schluss mit dem i3. BMW stellt in diesem Jahr die Fertigung seines ersten Elektroautos ein. Damit schrumpft das Angebot an Ikonen der Elektromobilität. Electrify-BW hat mit Besitzern über ihre Erfahrungen mit dem hochbeinigen Kleinwagen gesprochen.

Die Optik polarisiert, auch heute noch. Entweder, man mag das Auto wegen seines besonderen Aussehens – oder deswegen eben nicht. So ähnlich drückt es auch Rainer Orzada aus, der seit 2019 mit seinem i3-Exemplar unterwegs ist. „Das Design und die verwendeten Materialien – vor allem die Karbonkarosserie – haben mir persönlich am i3 immer schon gefallen. Eigentlich genau die zwei Gründe, die viele davon abhielten, sich einen i3 zu kaufen.“

Mehr als 225.000 Käufer haben es bis Ende 2021 wie Orzada gemacht und zum Verkaufserfolg des Sonderlings beigetragen. Der Münchner Premiumhersteller ist bei seinem ersten vollelektrischen Automobil konsequent einen eigenen Weg gegangen: Von der Form über die Materialien und die eigenwillige Konstruktion der hinteren Türen bis hin zur Darstellung des „Tankinhalts“. Die Kapazität des Akkus gibt BMW konsequent in Amperestunden (Ah) an, während die globale Konkurrenz die Batteriegröße in Kilowattstunden (kWh) präsentiert.

Über Umwege zum BMW i3

Orzada ist erst über Umwege zu dem Auto mit den extrem schmalen Reifen gekommen. „Auf den BMW hatten wir bereits 2014 ein Auge geworfen. Jedoch sprachen zwei wesentliche Dinge gegen einen Kauf: nur vier Sitze und der hohe, nicht verhandelbare Endpreis.“ Zu dem bereits vorhandenen Smart ed gesellte sich damals dann ein e-Golf. „Keine Herzensentscheidung, sondern rein aus Vernunftgründen“, wie Orzada betont.

Ähnlich erging es Electrify-BW-Mitglied Georg Skempes bei seiner Suche nach alternativen Antrieben zum Diesel oder Benziner. 2012 wollte er von einem Auto mit Autogas auf einen Smart ed der damals bereits dritten Generation umsteigen. „Aber seitens der verschiedenen Verkäufer war kein Interesse da, mir einen zu verkaufen. Ich erhielt keine Angebote, bis auf eines mit dem Listenpreis.“ Ganz anders dann zwei Jahre später bei BMW. „Kurz nach dem offiziellen Verkaufsstart wurde ich in der BMW-Niederlassung Stuttgart-Vaihingen wie der König Kunde behandelt. Nach einer Probefahrt war die Entscheidung im Kopf bereits gefallen. Ab April 2014 fuhr ich das Auto fünf Jahre lang, und die ‚Freude am Fahren‘ kam buchstäblich zurück.“

Abstecher mit dem i3 zu Bäcker Schüren

Die Vorzüge des batterieelektrischen Antriebs beschreibt Skempes so: „Kein Schaltruckeln mehr, keine Kupplung, keine nervös machenden Motorgeräusche und Vibrationen. Und dann hat das Auto im Stau auch noch deutlich weniger verbraucht! Energiesparsames Fahren wurde mit mehr Reichweite belohnt. Man hörte auch mit geschlossenen Scheiben die Vögel zwitschern.“

Batteriegröße versus Reiselust

Positive Erfahrungen also, die Elektroautofahrer so oder ähnlich bestätigen. Wenn da nicht doch ein Wermutstropfen gewesen wäre. Die relativ geringe Reichweite des i3 und Skempes Reiselust waren inkompatibel. Sie wurde aber mit der Ankündigung des Tesla Model 3 im Frühling 2016 neu entfacht. „Ich träumte bereits davon, mein Standard-Sommerreiseziel Nordgriechenland, rund 1.950 Kilometer entfernt, mit einer Übernachtung rein elektrisch zu erreichen.“ Kurz vor Weihnachten 2018 wandelte Skempes seine Reservierung bei Tesla in eine Bestellung um. Pech für BMW. Seitdem ist er mit dem M3 dreimal nach Griechenland gefahren.

Ungefähr zur gleichen Zeit, als sich Skempes von seinem i3 trennte, stieg Orzada vom e-Golf auf den BMW um. „2019 war der Anschaffungspreis auch dank eines Zuschusses durch das BAFA auf ein erträgliches Maß gesunken. Die Batteriekapazität stieg auf ein erträgliches Maß. Und der 2014 noch wichtige fünfte Sitzplatz war für uns nicht mehr erforderlich“, nennt er die Gründe.

720 Kilometer Langstrecke – jedes Wochenende

„Mit dem für E-Autos typischen leisen Dahingleiten und trotz seines Leichtgewichts von rund 1.350 Kilo satt auf der Straße liegend, hatten wir unser perfektes Urban Vehicle gefunden. Der Einsatzbereich sollte vorwiegend im großstädtischen Bereich rund ums Ruhrgebiet liegen. So dachten wir. Es kam aber anders“, erzählt Orzada. „Ende 2019 ergab es sich, dass ein Umzug vom Niederrhein nach Baden-Württemberg anstand. Da wir mit der gesamten sechsköpfigen Familie umziehen wollten, musste ein Haus in der künftigen Heimat gefunden werden. Solch eine Suche funktioniert nur, wenn man auch vor Ort Besichtigungstermine wahrnimmt. So mutierte der i3 zum Langstreckenfahrzeug. 720 Kilometer für die Hin- und Rückfahrt, und das mindestens einmal wöchentlich. Also nach landläufiger Meinung für ein E-Fahrzeug nicht machbar, sondern nur mit einem Diesel. Für alle, die bereits ein E-Auto besitzen, ist klar, das ist machbar.“

Rainer Orzadas BMW i3, Farbe: Jucarobeige

70.000 Kilometer in knapp drei Jahren hat Orzadas i3 bis jetzt abgespult. „Ohne Klagen, ohne Macken“, sagt er. 56 Prozent davon waren Autobahnkilometer. Bei einer Reisegeschwindigkeit von 100 km/h liegt der Verbrauch ab Steckdose bei 15,4 kWh pro 100 Kilometer. „Der BMW knirscht nicht, knarzt nicht und ist fahrleistungstechnisch nach wie vor springlebendig. Eine Abnahme der Batteriekapazität ist noch nicht spürbar“, fasst der Ruheständler zusammen.

Der i3 dient den Neu-Baden-Württembergern nicht nur als Reisewagen. Er ist, bedingt durch notwendige Umbaumaßnahmen am neuen Heim, auch ein Lastesel. „Tonnenweise Baumaterialien hat er transportiert und fast ebenso viel Bauschutt zum Wertstoffhof gebracht. Dank der umklappbaren Rückbank ist mehr als ausreichend Stauraum vorhanden. Die Innenausstattung lässt sich trotz ihrer teils edlen Anmutung leicht wieder reinigen. Dieser praktische Nutzen wird durch die Selbstmördertüren nur geringfügig eingeschränkt. Aber mit Kindern auf der Rückbank besteht niemals die Gefahr, dass die Kleinen unbedacht die Türen aufreißen und herannahende Radfahrer oder Fußgänger gefährden. Es ist halt alles eine Frage der Perspektive“, führt Orzada aus.

BMW mit hoher Kundenbindung

Auch Skempes nennt einige Vorteile des i3. Er verweist auf „sehr geringe Unterhaltskosten, vor allem für Vielfahrer. Das Zwei-Jahres-Wartungsintervall ist unabhängig von den gefahrenen Kilometern.“ Und die Versicherung sei unterdurchschnittlich teuer. „BMW war beim i3 äußerst kulant“, erinnert sich Skempes. „Auch nach Garantieende wurden die meisten Reparaturen kostenlos erledigt. Das trug mit zu einer hohen Kundenbindung bei, die BMW aber leider mit der Streichung der angekündigten technischen Generalüberholung des BMW i3 über Bord geworfen hat.“

Rainer Orzada bedauert es, dass der i3 jetzt geschasst wird. „Es gibt wenige bis gar keine so innovativen Fahrzeuge im Kleinwagensegment. BMW hat es aus Mutlosigkeit verpasst, die Technologieführerschaft weiter zu erhalten. Ich glaube, der Wert des i3 wird im Gegensatz zur derzeitigen Situation auf dem Gebrauchtwagenmarkt mittel- bis langfristig steigen. Mangels Neufahrzeuge in dem Segment, mit nahezu unverrottbarer Karosserie und dem Nimbus eines E-Auto-Klassikers sieht meiner Meinung nach die Zukunft des i3 rosig aus.“



Die von BMW als mögliche Nachfolger genannten Elektroautos Mini und iX1 „passen nicht“, kritisiert Georg Skempes die Unternehmenspolitik. „Der Mini wird nur mit der zweiten Akkugeneration ausgeliefert.“ Der iX1 biete trotz der rund 40 Zentimeter mehr Länge nicht mehr Platz. Das sei der Verbrennerplattform geschuldet. Beiden Modellen fehle die innovative Karbontechnologie. „Das mit der Dekarbonisierung hat BMW grundsätzlich falsch verstanden.“

Die Bestellbücher sind aktuell (Februar 2022) noch nicht geschlossen, auch wenn Auguren bereits von „ausverkauft“ sprechen.

Der BMW i3 ist natürlich auch im E-Auto-Quartett vertreten. Nähere Infos dazu in unserem Webshop.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert