Immer mehr Käufer entscheiden sich für ein Elektroauto. Parkplätze vor und Garagen in Mehrfamilienhäusern mit Ladestationen, auch Wallbox genannt, auszurüsten, ist aber oft schwieriger als sich das Mieter und Eigentümer vorstellen. Electrify-BW hat sich umgehört und Tipps gesammelt, die Spannungen zwischen den Beteiligten vermeiden helfen.
In diesem Herbst haben die Zulassungen von reinen Elektroautos bundesweit erstmals einen Anteil von knapp 20 Prozent erreicht. Dieser Trend zum umweltfreundlichen Antrieb verstärkt gleichzeitig den Druck auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Am bequemsten ist natürlich das Aufladen des Akkus über Nacht auf dem eigenen Stellplatz. Bevor an der Ladestation jedoch Strom zur Verfügung steht, sind zahlreiche Fragen zu klären.
Wallbox im Einfamilienhaus: Was zu beachten ist
Wohl dem, der in einem Einfamilienhaus wohnt. Ein Eigentümer hat dort freie Hand bei der Installation seiner Wallbox. Er benötigt nur einen qualifizierten Elektriker, der die Leistungsfähigkeit des Hausanschlusses ans Stromnetz prüft. Anschließend legt er die Leitung zum Stellplatz und schließt die Ladestation an.
Falls eine Photovoltaikanlage vorhanden ist, empfiehlt es sich, diese mit der Wallbox zu koppeln. So speichert und verbraucht man selbst erzeugten Strom im Elektroauto. Eigene Elektrizität zu verwenden, ist aktuell die günstigste Methode, um sich elektrisch fortzubewegen. Haushaltsstrom ist in diesem Jahr hingegen deutlich teurer geworden. Auch die Preise an öffentlichen Ladestationen haben spürbar angezogen.
Was man in einem Mehrfamilienhaus unterlassen sollte
Bei Mehrfamilienhäusern ist es nicht so einfach, Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge zu schaffen. Dort wird die Versorgung mit Ladeanschlüssen komplex – sowohl technisch als auch rechtlich. Von der Möglichkeit vorzupreschen und den Vermieter oder andere Miteigentümer vor vollendete Tatsachen zu stellen, raten Fachleute unisono ab. „So etwas führt nur zu Streit“, sagt zum Beispiel Ottmar H. Wernicke, Geschäftsführer von Haus & Grund (HuG) Württemberg.
Mieter (und Eigentümer) haben seit Ende 2020 Anspruch auf einen Stromanschluss auf dem Gemeinschaftsparkplatz oder in der Tiefgarage. Der Gesetzgeber hat aber nicht festgelegt, wie und wie schnell der Anspruch erfüllt werden muss. Das neue, CDU-geführte baden-württembergische Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen sieht, so ein Sprecher, aktuell keine Notwenigkeit, in diesem Punkt beim Bund eine Nachbesserung anzumahnen. Ein paar Beschwerden über lange Umsetzungszeiten lägen vor, sagt der Sprecher. Doch sehe das Ministerium in diesen Fragen die Zuständigkeit nicht bei sich, sondern bei den Unteren Baubehörden in den Landratsämtern oder Städten.
Wie gehen Eigentümer am besten vor?
„Alle Schritte zur Umsetzung müssen von den Eigentümern einer Immobilie beraten und beschlossen werden“, sagt der Elektroingenieur Ralf Wagner. Er leitet eine VDI-Kommission, die unter anderem „Hinweise für die Elektromobilität“ herausgibt. Seit 2012 gehört die Planung von Ladeinfrastruktur und der Schnellladeinfrastruktur an Gebäuden, in Quartieren und im öffentlichen Raum zu Wagners Aufgaben bei Drees & Sommer. Sobald Wünsche nach Installation einer Wallbox vorliegen, sollte die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) aktiv werden und den aktuellen Bedarf ermitteln. Je größer das Interesse ist, desto geringer seien die Investitionskosten für den einzelnen. In der Regel wird die Hausverwaltung mit der Koordination und Umsetzung beauftragt.
Einfach wird das aber nicht: Auf dem Weg zur Installation einer Wallbox „liegen zahlreiche Fallstricke“, berichtet Rolf Gühring aus der Praxis. Eine Pauschalisierung des Vorgehens sei bei diesem Thema kaum möglich. Nahezu jedes Haus sei eben anders. „Bei zehn Beratungen kommen wir zu acht unterschiedlichen Ergebnissen.“ Der Elektromeister mit eigenem Betrieb ist ein Pionier für öffentliche Lademöglichkeiten in Stuttgart. Er hat bereits in den 1990er Jahren im sogenannten LEMnet eine Stromtankstelle zur Verfügung gestellt. Gühring unterstreicht die Notwendigkeit zur Beratung durch einen Fachbetrieb für Elektromobilität: „Die Anforderungen sind vielfältig und reichen bis hin zum Brandschutz.“ Die Innung biete eine Suche nach spezialisierten Betrieben im Internet. Und: „Viele Kollegen sind bei diesem neuen Thema überfordert, die richtige Lösung zu finden. Korrekturen gehen dann richtig ins Geld“, warnt Gühring.
Welche Hürden müssen überwunden werden?
Herausforderungen gibt es an mehreren Fronten. Aufseiten der Technik und bei der Eigentümergemeinschaft, die im Bestand die Installation nicht per se verweigern darf und Aufträge erteilen muss. An dieser Stelle kommt Haus & Grund vermehrt ins Spiel: Mitglieder suchen „sowohl juristischen als auch technischen Rat“, erklärt Wernicke. Ihm ist allerdings aktuell noch kein Streit um die Installation einer Wallbox bekannt, der vor Gericht gelandet wäre. Kontroversen zwischen Mietern und Eigentümern würden in aller Regel außergerichtlich und lösungsorientiert beigelegt. „Gemeinsam mit dem Mieterbund sind wir schließlich der größte Streitschlichter“, sagt der HuG-Geschäftsführer.
Auf der technischen Seite müsse zunächst untersucht werden, „ob am Hausanschluss genug Strom für die Wallboxen vorhanden ist“, nennt Gühring den ersten Schritt. Die freie Leistung am Netzanschluss durch eine sogenannte Lastgangmessung zu ermitteln, dazu rät auch Markus Wunsch. Er leitet den Bereich Netzintegration Elektromobilität beim Verteilnetzbetreiber Netze BW GmbH in Stuttgart. „Durch den Einsatz von Lademanagement können Kosten für eine Erweiterung der Hausanschlussleistung minimiert werden“, sagt Wunsch. Dem pflichtet Wagner bei: „Hausanschlüsse sind oft knapp ausgelegt und bieten kaum oder keine Reserven für Wallboxen.“ Ziel sollte es sein, so lange wie möglich mit der vorhandenen Absicherung auszukommen.
Parallel zur Untersuchung der Hausanschlussleistung sei es ratsam, dass sich die Eigentümer „auf ein System einigen“, sagt Wagner. Gühring rät ausdrücklich vom Betrieb von Wallboxen unterschiedlicher Hersteller in einem Objekt ab. Nur so sei gewährleistet, dass das Lademanagement – also die zentral per Software gesteuerte statische oder dynamische Stromverteilung auf die einzelnen Ladepunkte – reibungslos funktioniere. Auch sollte man darauf achten, dass die Erweiterung auf noch nicht angeschlossene Stellplätze später möglich ist. Skalierbarkeit lautet hierfür das Stichwort.
Wie wird der Ladestrom bezahlt?
Noch vor einer Auftragsvergabe raten die Experten zur Klärung, wie der an den angeschlossenen Stellplätzen verbrauchte Ladestrom abgerechnet wird. In einer kleineren Wohneinheit sei es durchaus denkbar, die Wallboxen über den Stromzähler der jeweiligen Wohnung laufen zu lassen – „wenn sich die Zähler nicht gerade in der Wohnung befinden“, schränkt Gühring ein. Eine andere Variante beschreibt Wagner: Von einem Hauptzähler für den Ladestrom führen die Leitungen zu den Stellplätzen, wo wiederum ein Zähler den Verbrauch misst. Die Verwaltung könne dann mit den einzelnen Parteien abrechnen, und die Gemeinschaft den günstigsten Versorger mit der Stromlieferung beauftragen.
Was unternehmen große Wohnbaukonzerne?
Immobilienkonzerne mit tausenden Wohnungen bundesweit realisieren, wie Wagner weiß, ein anderes Konzept. Das lässt Mietern praktisch keinen individuellen Spielraum, bringt aber Strom an den Stellplatz. Große Wohneigentumsunternehmen setzen bei der Wallbox-Installation auf eine CPO-Lösung (Charge Point Operator/Betreiber von Ladestationen) mit Fullservice. Dazu gehören dann neben der Abrechnung auch der Betrieb und die Wartung der Anlage. Die Mieter müssten dafür dann mit monatlichen Kosten ab 25 Euro rechnen, nennt Wagner eine Größenordnung für den Aufschlag auf die Nebenkosten.
Wie schnell lassen sich Stellplätze elektrifizieren?
Wenn eine WEG ihre Beschlüsse gefasst hat, lassen sich ihre Aufträge aktuell nicht schnell umsetzen. Elektro-Handwerker sind trotz der Corona-Pandemie stark ausgelastet. „Der Markt ist total zu, auch wegen der Wallbox-Förderung“, sagt Wagner. Viele sind noch mit der Installation der genehmigten Anträge beschäftigt. Dieser Fördertopf ist inzwischen leer. Neue Anträge auf eine Prämie in Höhe von 900 Euro können aktuell nicht mehr bei der KfW gestellt werden.
Was ist mit Nachzüglern?
Wenn eine bestehende Wallbox-Anlage erweitert werden soll und sie bereits skalierbar installiert wurde, ist dies grundsätzlich möglich. Nachzügler sollten sich aber darauf einstellen, dass sie nicht nur die Kosten für die Ausrüstung an ihrem Stellplatz zahlen müssen. Üblicherweise werden dann nämlich die von den „Pionieren“ bezahlten Basiskosten neu verteilt. Regelungen dazu sollten deshalb unbedingt in den Grundsatzbeschluss der WEG Eingang finden.
Wohin wende ich mich mit Fragen?
Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Ausrüstung von mehreren Parkplätzen mit Ladestationen beantworten die Experten von Electrify-BW gern. Bitte Senden Sie uns eine E-Mail. Für die Planung und Umsetzung Ihres Projekts sprechen Sie am besten mit einem Fachbetrieb. Nachfolgend genannte Unternehmen führen wir beispielhaft auf (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- The Mobility House, Rundum-Dienstleister für Ladelösungen
- Elektrisiert Rundum-Dienstleister für Ladelösungen
- Techem Komplettlösungen für Elektrofahrzeug-Ladestationen, einschließlich Betrieb
- Eliso Komplettlösungen für Elektrofahrzeug-Ladestationen, einschließlich Betrieb
- eAutolader Beratung und Planung von Ladelösungen
- Brunata Minol E-Mobilitätslösungen für die Wohnungswirtschaft
- Bürkle & Schöck Umsetzung von Ladelösungen
- Berner GmbH Umsetzung von Ladelösungen
Hier geht’s zum Thema THG-Quote.
Interessant, dass es auch möglich wäre, die Wallbox über den Stromzähler der jeweiligen Wohnung laufen zu lassen. Ich habe auch vor, eine eigene Ladestation in meine Garage installieren zu lassen. Hoffentlich finde ich heute einen passenden Fachmann für Elektroinstallationen.
[…] es bei der Installation von Ladestationen in Wohnanlagen ankommt, hat Electrify-BW hier […]