Mobilität der Zukunft: Weg vom Auto? Ja, aber …

Viele Menschen sind bereit für die Mobilitätswende. Es beschäftigt sie, dass sich ihr gewohntes Mobilitätsverhalten mittel- bis langfristig deutlich verändern wird. Neue Trends betrachten sie unvoreingenommen, aber mit kritischem Blick auf die Möglichkeiten. Diese Erkenntnis gewinnt der Verein Electrify-BW e.V. aus einer an seinem Stand durchgeführten Umfrage während der viertägigen Messe i-Mobility in Stuttgart.

Unzählige Gäste suchten während der Schau das Gespräch mit Mitgliedern des vor sieben Jahren gegründeten Vereins. Die Hemmschwelle war diesmal besonders niedrig. Dafür sorgte Barista Chris, der beim Zubereiten der vom Verein gesponsorten Heißgetränke wie Kaffee, Cappucchino, Espresso oder Tee an seinem Espressobike ganz schön ins Schwitzen kam. Im Gegenzug beteiligten sich die meisten Gesprächspartner an der – im Ergebnis natürlich nicht repräsentativen – Umfrage zu Änderungen bei der Mobilität.

Die ÖPNV-Allergie ist männlich

Ein für manche vielleicht erstaunliches Ergebnis der Abfrage zum derzeitigen Mobilitätsverhalten ist: Männer sind offensichtlich allergisch gegen eine häufige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Aber auch bei Frauen scheinen Bus und Bahn nicht besonders beliebt zu sein. Männer und Frauen gehen stattdessen häufig zu Fuß oder setzen sich ins eigene Auto. Das Fahrrad glänzt ebenfalls mit einer hohen Nutzungsquote.

Stichwort Intermodalität: Wie reagieren Besucherinnen und Besucher auf Szenarien zur kombinierten Nutzung mehrerer Verkehrsmittel, um von A nach B zu kommen? Überwiegend aufgeschlossen. Die Bereitschaft, sich zum Beispiel von einem autonomen Bus zum Bahnhof fahren zu lassen, mit der Bahn an den Stadtrand zu fahren, um von dort mit einem Carsharing-Auto elektrisch zum Ziel zu fahren, ist bereits vorhanden. Jedoch wird in Gesprächen das Aber deutlich betont.

Das schlechte Image von Bus und Bahn

Lösungen, die das mehrfache Wechseln von Verkehrsmitteln voraussetzen, stehen unter einem deutlichen Vorbehalt. Sie müssen „reibungslos funktionieren“, so der Tenor. Das zweifeln die Teilnehmenden an der Electrify-BW-Umfrage jedoch an. Ihre Bedenken machen sie an „ständigen Verspätungen und Ausfällen“ im Großstadt-ÖPNV und an dem „kaum vorhandenen ÖPNV-Angebot“ im ländlichen Raum fest. Fazit: Der öffentliche Nahverkehr hat ein massives Imageproblem. Unternehmen, Planer und Politik werden also noch viel Überzeugungsarbeit leisten und Zuverlässigkeit gewährleisten müssen. Sonst wird das nichts mit der Mobilitätswende.

Intermodalität ist einerseits Zukunftsmusik, andererseits wird sie jedoch bereits praktiziert. Über seinen täglichen Arbeitsweg berichtete Claus Thaler in mehreren Vorträgen am Messestand. Der Referent nutzt die „Öffis“, um seinen Arbeitsplatz am anderen Ende der Stadt zu erreichen. Zwischen Endhaltestelle und Büro liegen aber noch mehrere Kilometer Strecke und Steigungen. Um diese leichter überwinden zu können, hat er sich ein E-Bike zum Zusammenfalten (vom Hersteller Brompton) angeschafft.

Kontrapunkt zu Größer, Schneller, Schwerer

Viele Menschen vermissen im Angebot an Elektroautos die Klein- und Kleinstwagen. Diese sollten idealerweise in den Augen zahlreicher Messebesucherinnen und -besucher noch ein weiteres Kriterium erfüllen: Sie müssen erschwinglich sein. Electrify-BW e.V. hat während der i-Mobility einen Kontrapunkt zu immer größeren, immer schnelleren und immer schwereren E-Fahrzeugen gesetzt. Das Segment der für den urbanen Raum bestimmten Elektroautos ist mitnichten unbesetzt: Der am Stand ausgestellte Elaris Pio (Vertrieb in Deutschland über Euromaster) erfüllt die genannten Bedingungen und stieß auf großes Interesse. Oft gehörter Kommentar aus dem Publikum: „Dass es dafür einen chinesischen Hersteller braucht, ist traurig. Warum bieten das die deutschen Automobilbauer nicht an?“

Das Verständnis für diese Abstinenz ist bei Andreas Hohn begrenzt. Der Vorsitzende von Electrify-BW e.V. bewertet die während der i-Mobility gesammelten Erkenntnisse so: „Kleinstwagen haben große Chancen auf dem Markt. Sie sind gewollt, und sie sind gesucht.“ Den Messeauftritt sieht er positiv. „Wir sind sehr zufrieden. Wir haben viele gute Gespräche geführt und festgestellt, dass sich mehr Menschen als bisher mit dem Thema Mobilitätsveränderung beschäftigen.“ Er macht dies insbesondere daran fest, dass der Anteil an grundsätzlichen Fragen zur Elektromobilität gegenüber den Vorjahren „wieder deutlich zugenommen hat.“

Bei Electrify-BW e.V. wurden sie beantwortet.

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(2) Kommentare

  1. Aampere: Neue Ansätze für den E-Gebrauchtwagenmarkt - Electrify-BW e. V.11.11.2023 | 17:37 Uhr

    […] Dass Bereitschaft vorhanden ist, das persönliche Mobilitätsverhalten zu ändern, ist eines der Ergebnisse einer Umfrage von Electrify BW e.V. in diesem Frühjahr auf der Stuttgarter Messe […]

  2. Horst Lilleike18.04.2023 | 23:55 Uhr

    Dass es keine Alternativen zu chinesischen Kleinstfahrzeugen mit eAntrieb gäbe, ist doch ausgemachter Unsinn! Ego, Smart, eUp + Derivate, Twizzy und andere gibt es zu Hauf!
    Und für die meisten Strecken reicht ein eBike! Das sind doch alles nur faule Ausreden für den typisch Deutschen, der keine Veränderung mag!

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